Dieselskandal: Welche Ansprüche verjähren erst nach 10 Jahren?

regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre

Der BGH hatte in seinem Urteil vom 17.12.2020, Az. 6 ZR 739/20 entschieden, dass Ansprüche gegenüber VW innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren verjähren.

Verjährungsfrist ausnahmsweise 10 Jahre

Am Rande dieses Urteils ging der BGH auf eine Vorschrift aus dem Bereicherungsrecht, § 852 BGB ein. Nach dieser Vorschrift kann ein Geschädigter auch nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist bis zu 10 Jahre nach Abschluss eines Kaufvertrages vom Schädiger eine Bereicherung zurückverlangen, die dieser durch unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten erlangt hat.

Der BGH hatte sich in seinem Urteil nicht weiter mit dieser Vorschrift auseinandergesetzt, weil der Geschädigte nicht ausreichend vorgetragen hatte.

Anwälte, Landgerichte und nun auch Oberlandesgerichte streiten um die Frage, ob und in welchen Fallkonstellationen Schadensersatzansprüche gegenüber VW in welcher Höhe auch nach Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist auf Grundlage von § 852 BGB in Betracht kommen.

OLG Oldenburg: Vertragsschluss zwischen Kunde und VW

Das OLG Oldenburg hatte dazu neulich für den Fall eines unmittelbaren Vertragsschlusses zwischen VW und dem Kunden ausgeführt, dass VW den vom Kunden erlangten Kaufpreis abzüglich der gezogenen Nutzungen erstatten muss. Der verjährte Anspruch würde in Höhe der VW verbliebenen Bereicherung fortbestehen, da derjenige, der durch unerlaubte Handlung etwas erworben hat, nicht im Genuss des Erlangten verbleiben solle. Der Anspruch könne bis zur maximalen Höhe des von VW erlangten Kaufpreises verlangt werden, was 85 % des gezahlten Kaufpreises entsprach (Urteil vom 02.03.2021, Az. 12 U161/20).

Damit widersprach der 12. Zivilsenat des OLG Oldenburg dem 2. Zivilsenat des OLG Oldenburg, der die Anwendbarkeit von § 852 BGB verneinte, weil dem Eingehen einer ungewollten Verbindlichkeit kein entsprechender Vermögenszuwachs auf Seiten von VW gegenüber stünde.

OLG Stuttgart: Vertragsschluss über Neufahrzeug zwischen Kunde und Händler

Das OLG Stuttgart hatte VW ebenfalls zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen auch im Fall eines zwischen einem Kunden und einem Händler geschlossenen Vertrages verurteilt. VW hatte hier nichts unmittelbar von dem Kunden erlangt, sondern der Kaufpreis wurde vom Käufer zu 100% an den Händler und erst in einem zweiten Schritt zu 85% des Kaufpreises vom Händler an VW gezahlt. Die nach dem Gesetzeswortlaut erforderliche Vermögensverschiebung müsse sich nach Ansicht des OLG nicht unmittelbar zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vollziehen. Sie könne auch auf andere Weise erfolgen. Entscheidend sei, dass der Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs beim Schädiger zur Folge habe. Dies sei bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auch dann der Fall, wenn VW den Kaufpreis in einem Zwischenschritt über den Händler erlange (Urteil vom 09.03.2021, Az. 10 U339/20).

Dieser unmittelbare Zusammenhang der Vermögensverschiebung sei beispielsweise aber nicht mehr gegeben, wenn der Käufer das Fahrzeug nicht als Neu-, sondern als Gebrauchtwagen erwerbe. In diesem Fall sei der Kaufpreis nicht VW zugeflossen, sondern dem Händler und würde dort auch verbleiben. Der Zusammenhang könne auch dann fehlen, wenn der Kunde bspw. beim Händler ein Vorführfahrzeug kaufe, das durch den Händler selbst erworben wurde, ohne dass bereits ein Endkunde feststand. Zusammengefasst bestehen daher auch Erfolgsaussichten nach Eintritt der regulären Verjährung, wenn ein Neufahrzeug über einen VW-Händler oder direkt bei VW erworben wurde und seit Abschluss des Kaufvertrages noch keine 10 Jahre vergangen sind.

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